Wie Förderer in Notsituationen reagieren
Die Reaktionen auf die vielen Flüchtlinge im letzten Jahr ist ein sehr gutes Beispiel, um zu sehen, wie Förderer reagieren, wenn es zu einer Notsituation kommt, die solidarisches Handeln erfordert. In der Bilanz des Helfens haben GfK und Spendenrat jetzt einige Zahlen veröffentlicht, die interessante Einblicke in diese Situation ermöglichen:
1. Über 50% der Deutschen haben sich beteiligt
Die positive Nachricht ist: Etwa die Hälfte aller Deutschen haben sich in irgendeiner Form an der Versorgung der Flüchtlinge beteiligt: Die meisten haben Sachspenden – vorwiegend in Form von Kleiderspenden – geleistet. Aber auch Geldspenden und vor allen Dingen ehrenamtliche Arbeit wurden in den vielen Einrichtungen, die kurzfristig entstanden sind, geleistet. Etwa 8% haben Geld für die Flüchtlingshilfe gespendet, 6% der Bevölkerung sich ehrenamtlich engagiert.
2. Die Spenden für die Nothilfe sind um 55% gestiegen
Gemessen zum Vorjahr sind die Spenden für Not- und Katastrophenhilfe um 326 Mio. € gestiegen. Neben der Flüchtlingshilfe wurde auch besonders für die Opfer des Erdbebens in Nepal gespendet.
3. Die meisten der Spenden wurden zusätzlich gegeben
Fast die Hälfte der Spenden für die Nothilfe wurden von Förderern zusätzlich gegeben. Sie haben ihre Spenden erhöht bzw. ein weiteres Mal gespendet. Hingegen gelang es nicht, in größerem Umfang neue Förderer zu gewinnen: Etwa 14% der zusätzlichen Spenden stammen von Personen, die bisher nicht gespendet haben. 37% der zusätzlichen Spenden für die Not- und Katastrophenhilfe wurde umverteilt. Dies macht insgesamt eine Summe von etwa 121 Mio. € aus, die anderen Organisationen weniger eingenommen haben.
Diese Zahlen zeigen deutlich den Effekt von Notsituationen auf das Fundraising in Deutschland: Während es kaum mehr gelingt, neue Förderer zu erreichen und zu gewinnen, geben die meisten Förderer zusätzliche Mittel. Es kommt aber auch zu Umverteilungen, sodass einzelne Organisationen finanziell hierunter leiden. Es gibt in den Zahlen der GfK Hinweise, dass von Umverteilungen vor allen Dingen regionale Organisationen betroffen sind. Anscheinend gelingt es größeren Organisationen mit ihrem professionelleren Fundraising auf Basis von Mailings in einer Notsituation einfacher, Förderer und Unterstützer zu erreichen und zum Spenden einzuladen. Es zeigt aber auch, dass es einigen regionalen Organisationen scheinbar schwerer fällt, ihre Förderer zu binden.
4. Der Anteil derjenigen, die Spenden und sich ehrenamtlich engagieren, ist klein
In der Flüchtlingshilfe haben sich 8,6 Mio. Einwohner mit Geldspenden oder Sachspenden engagiert. Das entspricht einem Anteil von 12,7% der Bevölkerung. 51% derjenigen, die sich engagiert haben, haben Geld gespendet, 36% haben sich mit ehrenamtlicher Arbeit engagiert und 13% haben sowohl Geld gespendet als auch ehrenamtlich mitgearbeitet.
Dies ist ein interessantes Phänomen, für welches zum ersten Mal Zahlen vorliegen: Wir wissen aus anderen Studien, dass Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sich auch überproportional oft und hoch spenden. Die Zahlen zeigen jedoch: Selbst in einer akuten Notsituation spendet etwa jeder achte auch für die Organisation, für die er bzw. sie sich engagieren und die sie doch besonders gut kennen.
Dies zeigt einmal mehr, dass klassische Erklärungsansätze zum Spenden in Deutschland – bspw. dass Transparenz eine wichtige Grundlage des Spendens sei – so einfach nicht richtig sind: Denn nirgendwo wird die Transparenz bezüglich Organisation, handelnder Personen, Einsatz der Ressourcen und erzielter Impact höher sein als bei den Organisationen, bei denen ehrenamtlich gearbeitet wird und bei denen die Förderer und Unterstützer aufgrund ihres Engagements einen besonderen Einblick haben.
Fazit
Die Zahlen der GfK zeigen, dass der größte Teil der Bevölkerung sich – entgegen des Eindrucks, den man in der politischen Diskussion gewinnen konnte – für Flüchtlinge und Menschen in Not einsetzen. Das ist ein sehr guter Befund, den die aktuellen Zahlen noch einmal besonders deutlich zeigen.
Sie zeigen aber auch: Die Spenden steigen in einer Not-Situation, ohne dass sich die Zahl der Spender deutlich erhöht. In der Mehrzahl tragen Förderer die Last zusätzlich oder widmen ihre Spenden um. Das geht dann aber zu Lasten anderer Zwecke und Organisationen – vermutlich stärker zu Lasten regionaler Organisationen.
Dr. Kai Fischer beschäftigt sich seit fast 10 Jahren systematisch und auf wissenschaftlicher Ebene mit den Hintergründen des Spendens. Sein aktuelles Buch trägt den Titel: Warum Menschen spenden.
Dr. Kai Fischer
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