Kommt das Ende der Push-Kommunikation?

Fundraising in Deutschland denkt immer noch in den Kategorien der Push-Kommunikation: Wir fragen danach, wo wir potenzielle Spender*innen erreichen können und wie wir sie an diesem Touchpoint ansprechen müssen, damit sie uns spenden. Entsprechend dominieren Mailings mit Opfer-Narrativen, die als emotionaler Impuls so aufgebaut sind, dass die Spende als unmittelbare Reaktion auf diesen Impuls ausgelöst und damit die Reaktion gemessen werden kann.

Wie gehen Menschen mit Tausenden Werbebotschaften täglich um?

Schon vor über 20 Jahren hat Seth Godin mit seinem Buch „Permission Marketing“ darauf aufmerksam gemacht, dass diese Form der Kommunikation an ihr Ende angelangt ist. Seine Logik ist bestechend: Uns alle erreichen jeden Tag Tausende von Werbebotschaften. Wir haben überhaupt keine Chance, auf sie zu reagieren, sie überfordern uns, und wir versuchen sie nach Möglichkeit auszublenden. Die herkömmliche Form der Kommunikation beschreibt er als „Disruption-Marketing“: Man sendet einen Impuls, der so stark ist, dass die Empfänger*innen ihre Tätigkeit unterbrechen und ihre Aufmerksamkeit auf den Werbe-Impuls richten. Dann hat man eine Chance, dass die Botschaft wahrgenommen wird und Menschen anfangen darauf zu reagieren – obwohl zwischen Aufmerksamkeit und Reaktion noch eine erhebliche Strecke zurückzulegen ist.

Die allermeisten Werbebotschaften, die auf uns einprasseln – und dazu gehören auch viele Spenden-Appelle an unsere Solidarität, Opfern zu helfen – sind für uns vollkommen irrelevant und uninteressant. Wir verwenden deshalb relativ viel Energie darauf, sie zu ignorieren. Entsprechend reagieren trotz zunehmendem Werbedruck immer weniger Menschen. Dieser Weg – und das zeigen die Zahlen zum deutschen Spendenmarkt – kann am Ende nicht erfolgreich sein.

Menschen, die kommunizierten wollen

Im Gegensatz dazu erreichen wir auch Menschen, die mit uns kommunizieren wollen. Das sind Menschen, die unsere Anliegen und unsere Idee teilen, wie die Welt zu einem besseren Ort werden kann. Das sind Menschen, die ähnliche Werte wie wir haben und mit denen wir uns auf Ziele und Wege dorthin verständigen können. Für sie gibt es keinen Grund, uns nicht zu spenden. Sie möchten von uns erfahren – gern auf den von ihnen präferierten Kanälen und Medien. Und sie reagieren, weil das Ziel nur gemeinsam erreicht werden kann.

Aus dieser hier angedeuteten Entwicklung – die traditionelle Push-Kommunikation kommt zu ihrem Ende und gleichzeitig wollen Menschen Kommunikation und Kontakt – ergibt sich eine Reihe von strategischen Folgen:

  • Die Bedeutung der bestehenden Spender*innen nimmt zu. Natürlich müssen jedes Jahr neue Spender*innen gewonnen werden, wenn die Basis der Spendenden nicht kleiner werden soll. Aber für den langfristigen Erfolg ist es wichtiger, mit den Menschen möglichst lange Wege zurückzulegen. Je loyaler sie sich verhalten, je länger die Beziehungen dauern, desto größer wird am Ende der ökonomische Erfolg. Wer sich für die ökonomische Logik hinter dieser Aussage interessiert, sollte die Mission-Based White Papers zur „Retention-Rate“ und zum „Life-Time Value“ lesen.
  • Das bedeutet auch, dass wir die Kommunikation mit dieser Zielgruppe intensivieren sollten. Dies ist die Gruppe derer, die von uns hören wollen, die auf die Reise mitgenommen werden möchten und die in unserem Narrativ eine Rolle haben, die sie ausfüllen können.
  • Bei der Gewinnung neuer Spender*innen sollten wir uns auf Personen konzentrieren, die bereit sind, langfristig loyal mit der jeweiligen Organisation die Mission zu verfolgen. Diese Menschen besitzen die Voraussetzungen für eine langfristige Beziehung. Viele Einmal-und-nie-wieder-Spender*innen sind nicht nur teuer, sondern helfen langfristig nicht weiter. Sie haben am Ende kein Interesse an der jeweiligen Organisation und reagieren deshalb auch nicht auf die Kommunikation.
  • Bei der Gewinnung neuer Spender*innen spielt in der Zukunft Pull-Kommunikation eine größere Rolle. Es geht nicht nur darum, die formale Zustimmung zur Kommunikation zu erhalten, sondern gezielt mit denen zu kommunizieren, die wirklich Interesse haben und für die unsere Kommunikation interessant ist. Es geht nicht darum, eine möglichst große Datenbank aufzubauen, sondern nur diejenigen zu erreichen, die auch mitgehen wollen. Alle anderen Datensätze sind Ballast und behindern eher den langfristigen Erfolg.
  • Pull-Kommunikation setzt Inbound-Marketing voraus und damit stellt sich die Frage, was Menschen an Ihrer Organisation interessieren sollte. An dieser Stelle geht es um Ihre Positionierung. Es geht um Ihre Mission und das zentrale philosophische Thema. (Warum machen Sie, was Sie machen? Warum muss das gesellschaftliche Problem, das Sie bearbeiten, bearbeitet werden?) Es geht um Ihre Theory of Change (Wie wollen Sie die Herausforderung lösen?) genauso wie um Ihr Narrativ und die Rolle, die Sie Ihren Förder*innen darin anbieten. Hieraus ergeben sich Anknüpfungspunkte für die Interessen Ihrer Zielpersonen und die Fragen, die Ihre Zielpersonen umtreiben. Haben Sie hierauf Antworten, können Sie ziemlich sicher sein, dass Ihre Zielpersonen Ihnen auch zuhören. Wenn Sie keine Antworten haben, werden Sie die Angesprochenen wohl nicht als langfristige treue Spender*innen gewinnen.
  • Schließlich geht es am Ende auch um Touchpoints und die Frage, wo Sie Ihre Zielpersonen erreichen können. Und es geht um die Frage, wie Menschen am Touchpoint begeistert werden können, und wie die Beziehung aufgebaut, zur Spende und zum langfristigen gemeinsamen Tun geführt werden kann. Die Donor Journey beginnt nicht erst nach der Spende, sondern schon vor dem ersten Kontakt, lange vor der ersten Spende.

Wie Sie sehen, sind viele der Ideen nicht neu und werden schon seit langer Zeit diskutiert. Durch den anstehenden Generationswechsel unter den Spender*innen und die abnehmende Zahl der Menschen, die Geld geben, stellen sich diese Fragen auch im deutschen Fundraising mit aller Macht. Es ist an der Zeit, Fundraising neu zu denken. Dass dies nicht einfach ist, und dass damit viele neue Anforderungen an das Fundraising, seine Organisation sowie an die Organisationen selbst und an die Qualifikationen der Fundraiser*innen gestellt werden, ist klar. Dass dies auch Kosten verursacht, ebenso. Aber vermutlich wird für die meisten Organisation, Stiftungen und Sozialunternehmen kein Weg daran vorbeiführen.

 

Eine nachhaltig finanzierte Zivilgesellschaft, die die Welt ein Stück besser macht und ohne Ausbeutung und Selbstausbeutung auskommt, ist die Mission von Dr. Kai Fischer. Deshalb beschäftigt er sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu Förder/innen und bietet hierfür Strategie-Beratungen, Inhouse-Workshops und Seminare an.

 

Dr. Kai Fischer

Sprechen Sie mich gerne an, ich freue mich von Ihnen zu hören!

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