Fundraising-Trends: In Deutschland nichts Neues?
Das erste Quartal ist fast vorbei und schon liegen die ersten statistischen Auswertungen des vergangenen Jahres vor. Sie versprechen Antworten auf die Frage: Wohin bewegt sich eigentlich das Fundraising in Deutschland?
Da ist zunächst einmal die Online-Fundraising-Studie von Altruja. Auch in der dritten Ausgabe hat sich das Bild eigentlich nicht groß verändert: Die meisten Organisationen setzen auf Unternehmenskooperationen. Allerdings scheint die Attraktivität zurückzugehen, wie die Zahlen zeigen: Nur noch 43% der Befragten nennen diese Kategorie – immerhin 12% weniger als im letzten Jahr.
Und nach wie vor gilt – übrigens wie schon seit etwa 15 Jahren: Online-Fundraising ist ein großer Wachstumsmarkt. Zwar sind hier viele Organisationen schon aktiv, aber die Ergebnisse kommen nicht so richtig in Schwung. Bei 1,3 % aller Spenden kam der Spenden-Anstoß über das Internet, wie die ebenfalls gerade erschiene Bilanz des Spendens 2013 zeigt. Die Gründe für dieses Ergebnis liefert die Online-Fundraising-Studie: Die befragten Organisationen klagen über fehlende finanzielle Mittel, fehlende Fachkräfte und fehlendes Know-how im Online-Fundraising.
Leichte Verschiebungen sind im Online-Fundraising nach diesen Zahlen zu erkennen: Obwohl immerhin noch über 70% der Antwortenden Facebook nutzen, nimmt dieser Wert im zeitlichen Vergleich ab (-11%). Gleichzeitig steigt die Wertschätzung des E-Mail-Newsletters wieder an: 34% nutzen diesen Kanal. Und es scheint sich auch in Deutschland herumzusprechen, dass die eigene Website und der Newsletter die Treiber für den finanziellen Erfolg im Online-Fundraising sind.
Dagegen nimmt die Bedeutung von klassischen Mailings ab: 13% weniger Briefe wurden 2012 im Fundraising verschickt – so die Zahlen der Bilanz des Helfens. Dagegen nimmt die Bedeutung der regelmäßigen Spenden zu: Fast jeder dritte Spender spendet regelmäßig.
Die Marktentwicklung:
Auch im letzten Jahr nahm das Spenden-Volumen in Deutschland ab. Die Bilanz des Helfens weist hier einen Rückgang von 2,2% aus. Damit ist der Rückgang zwar geringer als zunächst befürchtet, denn das vierte Quartal ist immer noch das umsatzstärkste. Allerdings gehen die Spenden im Dezember weiter zurück – auch wenn immer noch die meisten Spenden in diesem Monat gegeben werden.
Die Bilanz des Helfens verrät uns auch etwas über Neuspender: Ein Großteil von ihnen ist deutlich unter 60 Jahre – teilweise auch deutlich jünger – ist weiblich und wohnt vor allen Dingen in Haushalten mit drei und mehr Personen. Und sie reagieren deutlich schlechter auf klassische Mailings. Viele wurden über Freunde und Bekannte geworben oder haben auf Medien – auch Internet – reagiert: Allerdings kamen auch von den Neuspendern nur 2,9% über das Internet. Damit ist der Anteil der Neuspender über den Zugangsweg „Internet“ doppelt so hoch wie in der Gesamtverteilung – aber immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau.
Deutschland in der Welt
Was bedeutet dies im internationalen Vergleich? Auskunft gibt hier der World Giving Index, der für 2012 im Dezember vorgelegt wurde. Und hier zeigt sich: Deutschland ist weit davon entfernt Spenden-Weltmeister zu sein. Diesen Titel hat Australien erhalten. Und damit liegen wir noch hinter Paraguay, Liberia und Turkmenistan. Selbst unter europäischen Ländern liegt Deutschland hinten: Länder wie Irland, Großbritannien, Dänemark und Finnland liegen noch vor uns.
Deutschland ist unter den Top-20 Nationen überhaupt nicht mehr vertreten. Betrachtet man einen längeren Zeitraum sieht man den kontinuierlichen Abstieg: So liegt Deutschland im Fünf-Jahres-Zeitraum noch auf Platz 17 und ist seither jährlich im Ranking abgestiegen. Zurzeit liegt Deutschland noch auf Platz 34.
Herausforderungen in Europa
Die Herausforderungen in Europa zeigt eine aktuelle Studie der EFA (European Fundraising Association), die ihre Mitglieder – die nationalen Fundraising-Verbände - befragt hat. Der erfreuliche Trend: Trotz Wirtschaftskrise, die viele Länder viel stärker als Deutschland betroffen hat, konnte die Spenden-Einnahmen in Europa konstant gehalten bzw. gesteigert werden.
Spannender sind jedoch die Herausforderungen, vor denen die Fundraising-Verbände das Fundraising sehen. Der größte Engpass besteht in fehlenden Fähigkeiten im Fundraising, gefolgt von staatlichen Restriktionen beim Sammeln von Spenden, bei der ökonomischen Krise und bei Steuervergünstigen von Organisationen bzw. Spendern. Herausforderungen für die nächsten zehn Jahre werden in der Bindung von Förderern, der instabilen ökonomischen Situation sowie in Anforderungen nach höherer Transparenz bei der Messung von Social Impact gesehen.
Was folgt hieraus?
Fundraising in Deutschland stagniert – inhaltlich und in Bezug auf die Einnahmen. Es ist – trotz aller Anstrengungen – in den vergangenen Jahren nicht gelungen, das Fundraising qualitativ weiterzuentwickeln. Die Anzahl der Spender geht insgesamt zurück, es gelingt zwar neue Spender zu finden, gleichzeitig spenden aber insgesamt weniger Menschen – abgesehen von Katastrophen, die einen positiven Effekt auf die Bilanz haben.
Da es nicht gelingt, das Fundraising weiter zu entwickeln, ziehen andere Nationen an uns vorbei. Selbst in Europa spielen wir nicht mehr die erste Geige. Es ist an der Zeit, eine kritische Bestandsaufnahme zu machen und viele Gewissheiten auf den Prüfstand zu stellen. Sonst heißt es auch im nächsten Jahr: Alles halb so schlimm. Und: Wir brauche nur wieder eine Katastrophe, dann kommen schon wieder Spenden in die Kassen.
Weiterfügrende Informationen finden Sie hier:
http://www.spendenrat.de/download.php?f=9fedafe910992ce219fa31f8ac65654a
Dr. Kai Fischer
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