Nur wer zuhört, kann Beziehungen aufbauen

Spenden haben in den Tagen vor Weihnachten Hochkonjunktur. Aus meinem Briefkasten quellen täglich die Mailings, die vom Leid dieser Welt kündigen und die mir Vorschläge unterbreiten, wie und wo ich mich mit etwas Geld – manchmal auch mit etwas mehr Geld – engagieren könnte. In den Briefen werden mir nette Geschichten erzählt und aufgezeigt, welche wunderbaren Effekte für Menschen und Tiere meine Spende hätte. Ich bräuchte nur noch den Überweisungsträger zur Bank zu bringen …

Online ist es übrigens nicht anders. Ob auf Websites, auf Facebook oder in diversen E-Mai-Newsletters: Erzählt werden auch hier vergleichbare Geschichten. Dafür ist die Spende noch einfacher: Ein paar Klicks und ich könnte etwas für die Rettung der Welt machen. Das Formular ist schnell ausgefüllt …

Analyse des Verhaltens ist kein Verstehen

Die Ansprache ist mehr oder weniger originell, häufig ist sie angestimmt mit den Themen, auf die ich schon einmal reagiert habe. Auch sind die Geschichten durchaus emotional und die Spendenanlässe meistens richtig. Aber trotzdem berühren sie mich wenig.

Das könnte natürlich an mir liegen. Schließlich bin ich mit einem einfachen Appell an Solidarität und Hilfe für Menschen in Not nur schwer anzusprechen – auch wenn ich hin und wieder darauf reagiere. Aber ich glaube, das Problem liegt tiefgreifender.

Zuhören heißt wahrnehmen

Ich fühle mich schlicht und einfach nicht wahrgenommen. Ich werde zugetextet mit unterschiedlichen Angeboten, die überall schreien: Spende für mich, hier ist es besser oder hier ist die Not am größten. Nur: Was hat das mit mir zu tun?

Mir hört nämlich niemand zu. Klar wissen Fundraiser und Fundraiserinnen in ihren Datenbanken, wann ich unter welchen Bedingungen reagiere. Sie können mein Verhalten analysieren, aber damit haben sie mir noch nicht zugehört. Denn es geht nicht nur um mein Handeln, sondern –und das wissen Sozialwissenschaftler schon seit Max Weber– um den subjektiven gemeinten Sinn meines Handelns. Und der erschließt sich nur, wenn man mir die Chance gibt, mich mitzuteilen.

Ein Kommentar ist kein Zuhören

Klar kann ich auf Facebook einen Kommentar posten oder zeigen, was ich Sie mag, indem ich auf den „like“-Button drücke. Vielleicht bekomme ich darauf auch eine Antwort und weitere Kommentare, vielleicht werden sie auch geteilt. Ist das schon ein Dialog? Generiert ein Kommentar in der Öffentlichkeit das notwendige Vertrauen? Es mag ja sein, dass ich etwas altmodisch bin, aber ich unterscheide immer noch zwischen öffentlichen Äußerungen und privaten Mitteilungen. Und die Kommentar-Funktion ersetzt noch lange nicht das Zuhören.

Dialoge bestehen aus wechselseitigen Geschichten

Schauen wir uns an, wie Dialoge funktionieren: Erzählt einer der Partner eine Geschichte, bekommt er oder sie zur Antwort wiederum eine Geschichte erzählt. In der zweiten Geschichte werden einzelne Aspekte der erste aufgenommen, erweitert oder Entgegengesetztes formuliert. In jedem Fall wird der Dialog weitergeführt. Denn die zweite Geschichte bildet die Basis für eine dritte, in welcher auf die zweite eingegangen wird. So bildet ein guter Dialog ein Wechselspiel aus verschiedenen Geschichten und Argumenten, die immer aufeinander aufbauen und doch gleichzeitig über die jeweils vorangehende Geschichte hinausgehen. Damit schaffen Dialog und der Austausch von Geschichten und Argumenten Beziehungen, die quasi mit diesem Wechselspiel gleichzeitig entsteht.

Damit also eine Beziehung zustande kommt, ist das Zuhören wichtiger als das Sprechen. Denn nur, wenn ich richtig zuhöre, kann ich auf die Geschichte und die Argumente des Anderen antworten, meine eigenen Geschichten anpassen.

Wertschätzung und Anerkennung

Zuhören und anpassen der eigenen Geschichten und Argumente an denen des Anderen zeigt diesem nicht nur die entgegengebrachte Wertschätzung, sondern auch Anerkennung, ohne die Argumente und Positionen übernehmen zu müssen. Beides ist eine Voraussetzung, damit der jeweils andere sich wahrgenommen fühlt. Denn ohne ein Wahrnehmen und Anerkennen des Anderen ist Dialog und damit Beziehung nicht möglich.

Zuhören als Aufgabe im Fundraising

Für ein erfolgreiches Fundraising hat das eine zentrale Bedeutung: Es reicht eben nicht aus, pausenlos zu senden und Möglichkeiten des Engagements aufzuzeigen. Vielmehr geht es um die Wahrnehmung und Anerkennung des Anderen, um den Aufbau einer Beziehung. Und hierfür ist Zuhören und Einlassen auf Dialoge von größerer Bedeutung als das Sprechen selbst. Nur wer zuhört, kann den subjektiven Sinn des jeweils anderen verstehen und so die Möglichkeit schaffen, die für den Förderer den größten subjektiven Sinn ermöglicht – zum beiderseitigen Nutzen.

Erst dann, wenn aktiv zugehört wird, wird der Förderer als Person anerkannt, und erst dann kann eine langfristige Beziehung aufgebaut werden. Alle anderen Formen des Versuchs, eine Beziehung aufbauen zu wollen, führen fast zwangsläufig zu einer instrumentellen Verkürzung. Da brauchen wir uns dann nicht wundern, wenn immer mehr Förderer sich dem Ansinnen zu spenden verweigern. Denn so kann eine Beziehung nicht zustande kommen und Ihr Fundraising läuft tendenziell ins Leere.

Es wird Zeit für einen echten Dialog mit Ihren Förderern.

Dr. Kai Fischer

Sprechen Sie mich gerne an, ich freue mich von Ihnen zu hören!

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